Mit dem Fahrrad unterwegs auf der dänischen „Herrenhausroute“

 

Text und Bilder: Reinhard Pantke

Anfang Juni 2022 wurde in Süddänemark eine 660 Kilometer lange Fahrradroute eröffnet, die rund um Fünen, durch Langeland und über die kleine Insel Ærø führt. In fruchtbare Landschaften eingebettet, liegen mehr als 120 Herrenhäuser aus unterschiedlichen Jahrhunderten entlang dieser Route. Ihr Charakter variiert zwischen prunkvollen Schlössern, stattlichen Häusern und ausgedehnten Wirtschaftsgütern. Im Mai hatte Reinhard Pantke die Chance, die Strecke noch vor ihrer offiziellen Eröffnung im Juni unter die Räder zu nehmen. Hier gibt er einen kleinen Vorgeschmack.




Ærø

Schon vor einigen Jahren fiel mir auf einem Rückflug von Oslo ein kleines Eiland auf, das, umgeben von glasklarem smaragdgrünen Wasser, wie eine Südseeinsel wirkte. Die idyllische, in Sichtweite der deutschen Küste liegende Insel ist kaum 30 Kilometer lang und besitzt perfekt ausgeschilderte Radwege. Diese führen durch eine wellige Endmoränenlandschaft, vorbei an urigen Kleinstädten, schönen Stränden und fantastischen Ausblicken über die Ostsee.

Auch der malerische und unter Denkmalschutz stehende Hauptort Ærøskøbing bezaubert mit schmalen, kopfsteingepflasterten Straßen, die von liebevoll sanierten, mit Rosen bewachsenen  Häuschen gesäumt werden. Besonders beeindruckend sind auch die die farbenfrohen, putzigen Strandhäuschen der Einheimischen am Stadtstrand.

 

Langeland

Wer die lang gezogene Insel nur auf kürzestem Weg von Westen nach Osten durchquert, verpasst ein Fahrradfahrerparadies mit stillen, schmalen Straßen und Wegen. Nirgends ist es weit zum nächsten einsamen Sandstrand, immer wieder fährt man durch herrliche Wälder, trifft auf steinzeitliche Gräber und sogar Wildpferde.

Im Norden liegt das markante, auf einer Anhöhe liegende rote „Tranekær Slot“, das seit Jahrhunderten von einer Familie bewohnt wird. Es besitzt einen Schlosspark, eine wunderschöne, fast 180 Jahre alte Mühle und einen medizinisch-botanischen Garten, der die größte Sammlung von Heilpflanzen in Nordeuropa präsentiert. Am nördlichen Ende der Radstrecke erreiche ich das verschlafene Hafenstädtchen Lohals - die Herrenhausroute verläuft sowohl auf der Ost- als auch auf der Westseite, so dass man keine Strecken doppelt radelt.

Wieder zurück im Süden erreiche ich den über 250 Jahre alten „Broløkke Herregard“, einst ein „Wiedergutmachungsgeschenk“ eines Grafen, weil dieser untreu gewesen war. Neben dem wunderschönen Haupthaus mit historischen Möbeln werden gerade noch sehr stilvolle Apartments und sogar eine Destillerie in den ehemaligen Stallungen und Wirtschaftsgütern errichtet. Abends komme ich in den Genuss eines köstlichen 5-Gänge-Menüs, das aus regionalen Zutaten, wie etwa gedünstetem Lachs auf Seetang oder dänischem Spargel besteht. Gekrönt wird es mit fünf verschiedenen Weinen. Mein schwacher Einwand, dass ich nach meinen heutigen 80 auf dem Rad zurückgelegten Kilometern vielleicht nicht soviel Wein vertrage, wird mit stetem Nachfüllen geflissentlich - und lachend - ignoriert. Am Ende fühle ich mich ein bisschen wie der gutgelaunte Hauptdarsteller eines weltberühmten Geburtstagssketches.

 

Fünens Süden

Kurz bevor man über die letzte Brücke nach Fünen kommt, lohnt noch ein Abstecher in das Dorf Troense auf der Insel Tåsinge, das durch seine traumhafte Lage am Wasser und zahlreiche denkmalgeschützte, reetgedeckte Fachwerkhäuser verzaubert. Auch das nahegelegene „Valdemars Slot“ ist einen Besuch wert.

Flach ist dieser Teil Dänemarks mit Sicherheit nicht. Besonders im Süden sorgen in den von den Eiszeiten gerundeten Landschaften viele kurzen Anstiege für Abwechslung und lassen einige Höhenmeter zusammen kommen. Der Charakter der Herrenhäuser und Güter ist dabei recht unterschiedlich. Einige kann man nur aus der Entfernung betrachten, andere haben ihre herrlichen Schlossparks geöffnet oder bieten Übernachtungsmöglichkeiten, Cafés oder Hofläden mit eigenen Produkten. Für mich ist der Mai die schönste Zeit: Gelbe Meere aus Raps überziehen die Inseln, die Blütenpracht in den Gärten erscheint endlos, und es ist kaum jemand unterwegs.

 

Der idyllische Norden

Im Westen führt die Route hinunter zum Meer und durch Mischwälder, am kleinen Belt entlang in die historische Stadt Middelfart. Wer Abwechslung sucht, kann hier Kajaks mieten, Walsafaris machen oder seine Schwindelfreiheit beim geführten Bridgewalking austesten. Geschmäcker sind verschieden: Aber der Abschnitt zwischen Middelfart und Bogense/Odense ist vielleicht die beste Möglichkeit für eine Sommertour auch mit Kindern. Die Route führt oft auf autofreien Wegen hinunter zu weiten Ostseestränden, an denen man sich an heißen Sommertagen herrlich erfrischen kann.

Immer wieder laden schön gelegene Raststationen nur für Radfahrer zur Pause ein. Außerdem gibt es Reparaturstationen mit dem nötigsten Werkzeug: Radlerherz, was willst Du mehr? Auch das charmante, direkt am Wasser gelegene Bogense mit seinem gemütlichen Hafen, den Fischerbooten und der kleinen Manneken Pis-Kopie lädt zu mehr als einer kurzen Pause ein. Am nächsten Tag radele ich teils auch am Odense-Fjord entlang in die Hauptstadt Fünens, nach Odense. Die Heimatstadt des Dichters Hans Christian Andersen würdigt diesen mit einem neu eröffneten Museum. Auf über 5.500 Quadratmetern werden seine Märchen neu erfahrbar.
Ich bin begeistert von dem gut strukturierten Radwegenetz der Stadt, das viele Bewohner der Stadt ganz selbstverständlich aufs Rad umsteigen lässt.

 

Der Osten: Das Beste kommt zum Schluss - Schloss Broholm

Nur 20 Kilometer entfernt liegt die beschauliche Kleinstadt Kerteminde, deren maritimes Forschungs- und Erlebniscenter auf jeden Fall einen Besuch wert ist. Je näher man Nyborg kommt, desto deutlicher kommen die riesigen Brücken in Sicht, die über den großen Belt führen. Östlich von Svendborg liegt das über 700 Jahre alte, märchenhafte Schloss „Broholm“, das von einem Wallgraben und See umgeben ist. Der Park lädt zu abendlichen Spaziergängen, und auch das Innere gibt einen authentischen Einblick in vergangene Jahrhunderte. Wer als krönenden Abschluss seiner Reise in einem der romantischen Zimmer nächtigt, bekommt vielleicht auch die weiße Frau zu sehen, die – so erzählt man sich – im alten Teil spukend nach dem Rechten schauen soll.

Meine Reise endet am nächsten Tag. Es geht nach Svendborg und per Zug nach Deutschland. "Große Vielfalt auf kleiner Fläche", so lautet wohl das Motto dieser drei Inseln. Es gibt noch viel mehr zu entdecken. Ich hoffe, ich habe Sie neugierig gemacht, schwingen Sie sich aufs Rad!

 

Informationen

Beste Infoquelle: https://www.visitfyn.de/fyn/outdoor-bike/die-herrenhausroute-auf-fyn
Reisezeit/Unterkünfte: In der Hauptreisezeit von Mitte Juni - Mitte August Unterkünfte vorab buchen oder ein Zelt als alternative Bleibe haben.
Übernachtungshighlights: Königliche Gaumenfreuden in historisches Ambiente findet man auf dem "Brolokke Herrengard" im Süden der Insel Langeland: https://brolokkeherregard.dk/
Ein visuelles I-Tüpfelchen ist eine Übernachtung auf Schloß Broholm: http://broholm.dk/DK.aspx
Wenn es kein Schloss sein muß: Der Munkebo Kro bei Kerteminde (https://www.munkebokro.dk/) und das fantastische am Meer gelegene Troense Bed and Breakfast by the Sea: https://www.troensebnb.dk/
Für den schmaleren Geldbeutel gibt es gut ausgestattete Campingplätze mit Hütten und Glampingzelten und einfache "Shelterplätze", die Radfahrer kostenlos/gegen geringes Entgelt nutzen können. Toller, urgemütlicher, kleiner Campingplatz auf Ærø, unweit des Strandes, mit Übernachtungshütten: https://soeby-camping.dk/

Anreise: Per Zug und Fähre anzureisen und/oder Teile der Strecke mit anderen Langstreckenradrouten zu kombinieren. Ab Flensburg per Rad 45 km, nach Fynhav der Fährstation nach Aerö. Odense, Middelfart und Nyborg, sind Haltestellen der Intercity, die zwischen Hamburg und Kophenhagen fahren.Die Fahrradmitnahme in dänischen ICs muss reserviert werden, siehe https://www.dsb.dk/

 

Über den Autor

Der Reisejournalist Reinhard Pantke ist nur mit Fahrrad und Rucksack unterwegs und legte allein in diesem Jahr auf dem Weg zum Nordkap in Skandinavien ca. 6.000 km per Fahrrad zurück. Seine Bilder können Sie bald wieder in verschiedenen Multivisionsshows bewundern. Mehr über Reinhard Pantke hier.

 

















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